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Forscherinnen und Forscher der Frankfurt School of Finance & Management haben einen Twitter-/X-basierten Inflationserwartungsindex entwickelt. Das Modell wertet deutsche Tweets auf Basis natürlicher Sprachverarbeitung aus und erstellt einen täglichen Inflationserwartungsindex – damit sind erstmals kurzfristige Inflationserwartungen für Deutschland in Echtzeit verfügbar.
Das Forschungsprojekt, in dessen Rahmen der Index entwickelt wurde, ist am neuen Centre for European Transformation der Frankfurt School angesiedelt. Um den Index zu erstellen, werden im ersten Schritt alle deutschsprachigen Tweets heruntergeladen, die Schlüsselwörter zum Thema Preise und Inflation enthalten. Um sie von Bot-Aktivitäten und anderen Störsignalen zu bereinigen, die das Ergebnis verfälschen könnten, nutzt der Index die Möglichkeiten des maschinellen Lernens (ML). Der Textkorpus wird in verschiedene Themen unterteilt und jene Tweets herausgefiltert, die Inflationsthemen aufgreifen. Diese Tweets werden von einem vortrainierten Sprachmodell, das auf neuronalen Netzen basiert und auf die spezifischen Klassifizierungsanforderungen abgestimmt ist, als „steigend“, „fallend“ oder „neutral“ klassifiziert. Um genügend Daten für diesen Feinabstimmungsprozess zu generieren, nutzt der Index die ChatGPT-API. Für jeden Tag werden alle als steigend oder fallend klassifizierten Tweets zu einem täglichen Inflationsindex aggregiert. Zusätzlich zu einem deutschen Inflationserwartungsindex kann das Modell auch regionale Indizes abbilden.
Der neue Echtzeit-Inflationserwartungsindex basiert auf deutschen Tweets seit 2011 und korreliert im Auswertungszeitraum stark mit den realisierten Inflationsraten, beispielsweise aus Bundesbankdaten. Darüber hinaus bietet er einen zusätzlichen Erklärungswert und eine verbesserte Vorhersagegenauigkeit im Vergleich zu bestehenden Messmethoden quantitativer Inflationserwartungen. Unter anderem reagiert der Index auf geldpolitische Maßnahmen, steigt beispielsweise bei Lockerungen und fällt nach unerwarteten Straffungen. Besonders ausgeprägt ist der Einfluss von Tweets privater Nutzer in der aktuellen Phase erhöhter Inflation. Insgesamt ist der neue Index ein wertvolles Instrument für Marktakteure und politische Entscheidungsträger, um die vorherrschende Inflationserwartung zeitnah erkennen zu können.
Inflationserwartungen sind entscheidend für die Konsum-, Spar- und Investitionsentscheidungen von Unternehmen und Haushalten und damit für die Entwicklung der Gesamtwirtschaft. Zudem sind Inflationserwartungen eine wichtige Quelle für Zentralbanken, um die künftige realisierte Inflation zu prognostizieren und geeignete geldpolitische Maßnahmen abzuleiten. Allerdings war die Messung von Inflationserwartungen bisher nur mit einer erheblichen Zeitverzögerung möglich.
Professor Dr. Sascha Steffen, Professor für Finance und Direktor des Centre for European Transformation an der Frankfurt School, sagte: „Unser Inflationserwartungsindex belegt sehr anschaulich, dass die Frankfurt School und unser Centre for European Transformation Spitzenforschung mit einem echten Praxisnutzen verbinden, um die Herausforderungen in Wirtschaft, Politik und Gesellschaft anzugehen. Wir planen, unsere Indexanalysen auszuweiten und zum Beispiel den Zusammenhang zwischen Inflation und privatem Konsum zu untersuchen. Zudem können wir den Index auch für andere Länder aufsetzen.“
Johannes Müller, Global Head of Research, DWS, fügte hinzu: „Der neu entwickelte Inflationserwartungsindex ist ein gutes Beispiel dafür, wie die Wissenschaft einen echten Mehrwert mit Praxisbezug nicht nur für die Finanzindustrie, sondern für die Wirtschaft als Ganzes beisteuern kann. Dies ist wichtig im Kontext der europäischen Transformation und der damit einhergehenden Herausforderungen – und der Grund, weshalb die DWS akademische Exzellenz mit praktischer Relevanz im Centre for European Transformation an der Frankfurt School unterstützt. Es geht darum, die Herausforderungen des 21. Jahrhunderts gemeinsam anzugehen und nachhaltige Transformation und Wachstum in Europa zu fördern.“